Kurzbiografie

 

Joseph „Joe“ Balmer – Schweizer Historiker

 

26. Dezember 1914 – 04. Juni 2006

 

"Der Klöntalersee stimmt, aber der Mann im vollen Indianer-Ornat ist ein Bleichgesicht. Er geht üblicherweise auch nicht in Indianer-Tracht auf den Sonntagsspaziergang, es sei denn, er lasse sich fpür seine rothäutigen Freunde in den USA photographieren, damit sie sehen, wie sich ein Indianer vor Schweizer Bergen ausnimmt."

 

 Joseph „Joe“Balmer war ein Schweizer Indianerforscher der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Balmer war ein Mann, der lieber im Hintergrund tätig war. Von Beruf Kaufmann, galt Balmers Hauptinteresse der Indianistik. Balmer war Mitglied der „The English Westerners Society“. Von ihm selbst stammen in deutscher Sprache das „Kalumet-Sonderheft Nr. 1“ (1967/159 Seiten) sowie viele andere Beiträge in den regulären „Kalumet“-Ausgaben sowie in den Broschüren „Dakota Scout“. Sein Rat und sein Wissen sind in einer langen Reihe anderer, auch fremdsprachiger Publikationen eingeflossen.

 

Balmers Interesse galt den Prärie-Indianern und er fand sich bald einmal im Kontakt mit einigen der angesehensten Historikern und Autoren jener Zeit. Durch mein Interesse und meine Kenntnisse, erinnert sich Balmer, wurde ich und meine Familie von Häuptling Red Cloud adoptiert. Mein Sioux-Name war Wambli Ista, was Adlerauge bedeutet. Darauf war er ganz besonders stolz. Balmer hatte auch Verbindungen zu Leuten die in den verschiedensten Indianermuseen arbeiteten. Er brachte sich die Lakota-Sprache, die Sprache der Stämme der Sioux die in Nebraska, Nord-, Süd-Dakota und Wyoming lebten, wie übrigens auch sein Englisch, im Selbststudium bei. Dazu beschaffte er sich auch das seltene antiquarische Buch „A Dakota - English Dictionary“ von S.R..Riggs das 1852 herauskam. Riggs war Missionar bei den Dakota in Minnesota (Santee Sioux).

 

Balmer war einer der wichtigsten Informanten des bekannten Schweizer Autoren Ernie Hearting alias Ernst Herzig, dem Verfasser der bekannten Buchserie berühmter Indianer Häuptlinge. Die gesamte Buchserie mit den handschriftlichen Widmungen für Balmer, befindet sich in der Bibliothek des NONAM – Nordamerika Native Museum in Zürich. 

 

Obwohl Balmer ab 1950 als ausgewiesener Experte bekannt und akzeptiert war, hat er Amerika nie besucht. Seine Korrespondenz umfasste nicht selten über 800 Briefe pro Jahr.

 

Der Nachlass von Joseph Balmer, seine gesamte Korrespondenz und alle Notizen bekam der englische Autor Kingsley Bray, der Verfasser der Biografie „Crazy Horse: a Lakota Life“ von  Balmer als Geschenk! 

 

Trouvaille

Für den nachfolgenden Text konnte ich leider die Herausgeberschaft und den Zeitpunkt sowie den Autor nicht herausfinden. Ich habe keine Ahnung mehr, wie die beiden kopierten und beschnittenen Seiten den Weg in mein Archiv fanden? Als Herausgeber vermute ich eine Zeitung auf dem Platz Zürich, z.B. den „Züri-Leu“ unter Chefredaktor Valo Lüond oder die Zürich-Woche. Das Foto hat der weltbekannte Fotograf Réne Gröbli gemacht und ist mit 1962 datiert.

 

Bruder Bleichgesicht in Zürich 9

Es lebt in Zürich 9 ein Mann, der sich zu gewissen Zeiten in einen Indianer verwandelt. Nicht in einen billigen Indianer, wie ich in der Bubenzeit einer war, mit einem mageren Kopfputz aus einigen in Ostereierfarbe getauchten Hühnerfedern. Nein, der Mann in Zürich 9 verwandelt sich in einen Originalindianer mit ausschliesslich echten Kleidungsstücken. Mit einem waschechten Kopfputz, einem regelrechten Tomahawk und einer Friedenspfeife, die man (wenigstens en famille) rauchen kann. Nur seine Haut bleibt weiss. Denn die indianische Inkarnation in Zürich 9 ist kein magischer Einzelfall, sondern ein Hobby. Schauplatz: Eine Vierzimmerwohnung in einem ganz bürgerlichen Mietshaus.

 

Auch in diesem Fall begann es damit, dass ein Knabe in seinen ersten Flegeljahren als Indianerhäuptling durch romantische Gärten tobte und die ewigen Jagdgründe des Üetlibergs erforschte. Aber als er in das Alter kam, in dem man als junger Mann ins Kino und in die Tanzstunde geht, hatte er seinen Traum von den Rothäuten noch nicht ausgeträumt. Mit dem zunehmenden Ernst des Lebens begann er, sich ernsthaft der Indianerforschung zu widmen. Mit intensivem Eifer sammelte er Literatur über die Rothäute, nicht bloss Karl May-Romane, sondern sachliche Literatur mit historisch fundierten Darstellungen. Er studierte sich in die indianische Welt hinein und wusste nach Jahren emsiger Freizeitarbeit mehr über sie als mancher zu ähnlichen Aufgaben berufener Professor. Denn unser Mann in Zürich 9 zerbrach sich nicht den Kopf über der grauen Theorie, er besorgte sich auf allen möglichen Wegen eine vollständige Indianergarnitur, gestaltete seine Wissenschaft mit der direkten Anschauung lebendig und vervollständigte die Illusion indem er sich von Zeit zu Zeit ganz privat in einen Indianer verwandelte. Das tut er gelegentlich heute noch und seine Squaw ist ihm behilflich. (Es soll gar nicht so einfach sein, in die Kleider eines Sioux-Häuptlings zu steigen.) Ein verrückter Spleen? Der Mann in Zürich 9, Angestellter in irgendeiner Firma, bat uns seinen Namen nicht zu nennen. Er fürchtet den Spott der Verständnislosen, und das spricht für seine Normalität. Im übrigen soll es Herren geben, die sich Stunden und Tage mit Bleisoldaten beschäftigen, woran niemand Anstoss nimmt. Aber der Mann in Zürich 9 hat sein Hobby weit über die Spielerei entwickelt: er ist ein ausgezeichneter und in Amerika geschätzter Kenner indianischer Kultur und Geschichte und erweitert seine Kenntnisse ständig durch eifrige Studien und Briefwechsel. Seine Indianerkorrespondenz beläuft sich auf dreihundert bis vierhundert Briefe jährlich. Er kennt jeden noch lebenden Häuptling  mindestens von Photographien her. Einer von ihnen hat ihn sogar auf der Durchreise in Zürich besucht. Höchster Stolz seiner Sammlung ist ein Wörterbuch der indianischen Sprache, eines von wenigen Exemplaren, die ein Missionar mit einem primitiven Druckverfahren herstellte. Der Bruder Bleichgesicht in Zürich 9 hat zwei Kinder, ein Mädchen und einen Buben, die von den Nachbarskindern um ihren idealen Papa beneidet werden. Aber es gibt erwachsene Leute die mit ihren Fingern auf ihn zeigen und tuscheln,  wenn er im friedlichen Kriegsschmuck der Rothäute gesehen wurde. Wer weiss, ob die Tuschler nicht jeden Abend am Biertisch verjassen und sich mit dieser Freizeitbeschäftigung besonders geistreich vorkommen . . . 

 

Kein Kinderspiel sondern eine Wissenschaft hat der Freund der Rothäute aus seinem Hobby gemacht. Vor sich hat er ein dickes Handbuch der indianischen Sprache von Seltenheitswert, hinter sich die einschlägige Literatur und in der Vitrine, alles was sonst nur in kühnsten Jugendträumen vorzukommen pflegt.

Aufnahme: Ralph Coarse

 

Zusammengetragen von Peter Kuhn

 

Quellen:

 

- eigenes Archiv

- WIKIPEDIA - https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Balmer_(Historiker)

- Christoph Roos - https://rooschristoph.blogspot.com/

- Daniel Guggisberg, Historiker Santa Fe - englisberg@gmail.com

 

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