Oktober 2023
Nachruf
für
Pavel Beco, Japosh
25.07.1952 – 17.10.2023
Du hundertjähriger Baum
voller
Zweige und Sprosse,
als seist du erst halbwüchsig,
ich sehe dich gern.
Lehr mich das Geheimnis so zu altern:
Offen fürs Leben,
für die Jugend, für Träume,
wie einer, der weiss,
dass Jugend und Alter nur
Wegstrecken sind
zur Ewigkeit.
Hélder Camara
Am Dienstag-Morgen 17. Oktober 2023 um 11.00 Uhr hat Pavel Beco im Kreise seiner Lieben, nach langer Krankheit den Weg ins Licht angetreten. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er auf seiner Reise den Weg in eine höher entwickelte „Welt“ findet, in der seine pädagogischen und ezieherischen Grundsätze, von denen er zutiefst überzeugt war, auch gelebt werden.
Ich erinnere mich noch genau, wie Pavel und ich uns an einer TAOS-Sitzung in einem Pfadiheim 1971/72 zum ersten Mal begegnet sind.
Von unserem Verein TAOS hat er über Sigi, (Rolf Sigrist) erfahren. Rolf war zu dieser Zeit als hoher Pfadiführer in der Stadt St. Gallen tätig, Pavel bei der Pfadfindern Flawil. So kamen die beiden in Kontakt. Als er von Sigi erfuhr, dass wir Tipilager durchführen, stand er sofort bei uns auf der Matte und stellte sich vor. Der Grund seines Interesses am TAOS ist schnell erklärt. Pavel ist Tscheche und mit seiner Familie vor der kommunistischen Besetzung durch Russland in die Schweiz geflüchtet. Sein Vater war Kinderarzt und hatte danach in Flawil/SG seine Praxis, wo Pavel oft assistierte. In Tschechien war Pavel aktiver Pfadfinder. Diese Jugendorganisation wurde während der Besetzung durch Russland verboten.
Die Tschechischen Pfadfinder haben nach dem 1902 gegründeten
WOODCRAFT-Modell von Ernest Thompson Seton, mit wesentlich höheren Standards als die 1907 gegründete Pfadfinderbewegung von Baden Powell, gearbeitet. Diese Walderlebnis-Pädagogik, unter Einbezug umfassender indianischer Kulturelemente, nutzte von allem Anfang
an Tipis als Lagerzelte. So auch die Tschechischen Pfadis und das bis heute!
Wer sich für diese Zusammenhänge und Hintergründe interessiert, kann auf meiner Site www.creatipi.ch > historik > Ernest Thompson Seton viel hochinteressantes erfahren. Es geht auch da leider um Geschichts-verfälschung, welche ja gerade im Moment weltweit hoch aktuell ist! Wenn auch nie so ganz konkret ausgesprochen, wird jedoch sofort klar, dass die TAOS-Tipilager und alle Lager von Pavel/Japosh immer im Geiste von WOODCRAFT stattgefunden haben. Nachdem der TAOS-Club seine Aktivitäten eingestellt hat, übernahm Pavel dann die Leitung der schweizweiten tschechischen Pfader. Er gründete ein traditionelles Tipilager auf dem einzigartigen Lagerplatz am Rhein in Sagogn/GR, das bis heute besteht!
In den Anfangszeiten des ProSpezieRara Grossfamilienhofs auf dem Albisboden, bei Dicken/SG, wurden auch Tipis produziert und verkauft. Pavels Bruder Thomas Beco, der am Anfang die Administration der Pflegekinderfamilie leitete, gründete später die Firma FAM-Zeltwelt GmbH und begann die in der Tschechei produzierten Tipis und Zelte in der Schweiz zu vermarkten. Die Firma FAM entstand in der tschechischen Pfadiszene aufgrund der landesweiten Nachfrage nach Tipis, Eine analoge Geschichte ist die der CH-Firma Spatz-Camping, welche damals am Pfadfinderkorps Glockenhof Zürich entstand und viele Jahrzehnte die legendären Spatz-Zelte hergestellt hat. FAM-Zeltwelt besteht bis heute und wird aktuell von der zweiten Generation geführt.
Das Thema Tipi in Pavels Leben zeigt die Vielfalt seiner Interessen und Aktivitäten, immer vorrangig für Kinder und Jugendliche.
Nachdem er sein Biologiestudium aus Überzeugung zugunsten einer Lehrerausbildung aufgegeben hatte, hatte ich immer
wieder persönlich mit seinen und unseren gemeinsamen Projekten zu tun. An meiner ersten Stelle als Werklehrer in der Funktion als Leiter-STV der Freizeitanlage Heuried in Zürich haben wir u. A.
an einen Tierstall mit Gehegen für den Robinsonspielplatz zusammen gearbeitet. In dieser Zeit hat er mir ein tschechisches Studentenehepaar organisiert, das mir zu einem erschwinglich Preis das
ganze Buch The Indian Tipi von Gladys und Reginald Laubin (die Tipi-Bibel schlechthin)
aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hat. In dieser Zeit hat er auch im Tageshort von meiner Schwester Beatrice und Berti Fankhauser über dem Kellertheater am Heimplatz in Zürich, zur
Entlastung der beiden Hortleiterinnen im Freizeitbereich, für wilde Abenteuer der „Stadtbuben“, gesorgt.
Später hat er die Lehrerstelle der 6 KlassenSchule im höchstgelegenen Schulhaus des Kantons Zürich, auf dem Hörnli übernommen. Bei prekären Wetterverhältnissen. vor allem im Winter, mussten die Kinder von abgelegenen Höfen im Schulhaus verpflegt werden und übernachten. Eine spannende Herausforderung gerade richtig für Pavel.
Es folgte die Gründung der Pflegekinderfamilie, welche in unter-schiedlichen Konstellationen mehrere Jahrzehnte auch als Musterhof der Stiftung ProSpezieRara aktiv war. Pavel war der erste Zuchtbuch-Führer diese Stiftung.
Später haben wir eine jahrelange Phase von Kontakten auf Distanz gehabt. Nur noch punktuell haben wir uns persönlich gesehen, weil jeder seine eigenen anspruchsvollen Projekte vorantrieb. Wir waren aber immer gut informiert über die Pläne des anderen weil wir uns gegenseitig mit schriftlichen Unterlagen, Telefonaten, Briefen und Mails versorgten.
Kurz vor meiner Pensionierung Im NONAM-Nordamerika Native Museum und danach bin ich dann wieder vermehrt vor Ort auf dem Albisboden oder in Sagogn als Mitarbeiter und Kursleiter, vor allem bei Bauernhauslagern, aktiv geworden. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann auch seine liebe Frau, Ursula Toggenburger, kennen und schätzen gelernt.
Pavel war in all seinen Tätigkeiten ein unerschöpflicher, ruheloser Quell an Ideen. Er war für alle die mit ihm zu tun hatten, vor allem für die Kinder und Jugendlichen, ein wandelndes Lexikon mit breitem, unerschöpflichen Wissen, welches er gerne zur Verfügung stellte.
Gleichzeitig war er ein Praktiker erster Güte mit einem riesigen Erfahrungsspektrum und Improvisationstalent. Er war Vorbild, hat sehr viel gearbeitet und sich nie geschont. Das was er glaubte hat er gelebt. Den Albisbodenhof hat er mit Unterstützung von Ursula zu einem unvergleichlichen Kinderparadies gemacht. Das hauseigene Museum war die sagenhafte, unglaubliche Ergänzung im Innern. Es war alles in allem die pure Chaostherie mit unendlich abrufbaren Lernfeldern für Interessierte. Wie er das alles und noch viel mehr, einigermassen im Griff behalten konnte, ist mir heute noch ein Rätsel?
Unglaublich begabte Handwerker wie sein Freund Mac haben mit ihm zusammen Welten geschaffen, welche man nicht für möglich halten würde hätte man sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Immer wieder hat er Menschen mit speziellem Wissen, Profis, Fachleute und Künstler für Kurse und Workshops zugunsten der Lagerteilnehmer, auf den Albisboden-Hof geholt. Es war eindrücklich zu sehen und zu erleben, wie z.T. schon kleine Knirpse und Mädchen schmiedeten, schweissten, beim Pferde beschlagen halfen Seile drehten, Vogelhäuser bauten, Honig schleuderten, Bienen versorgten, Tiere pflegten, Wolle färbten, v. A. m. Die Liste liesse sich endlos fortsetzen.
Am Ende einer Lagerwoche kam man aus dem Staunen nicht heraus, wenn die Kinder die Resultate ihrer Werkarbeiten, für die Eltern auf Tischen übersichtlich präsentierten. Dazu einiges zum mitnehmen: Konfitüren, Honig, Most. Getrocknete Apfelringli, Obst, Eier etc. etc.
Im Lageralltag waren Spiele, Lagerfeuer, Baden, der berühmte Pizzatag und interessante Ausflüge Standard, alles nebst dem Betrieb der Bio-Baumschule und vieler interessanter Projekte.
Pavel, wieviele Kinder sind wohl durch deine Initiative in den Genuss solcher einmaliger Erlebnisse gekommen? Unzähligen Kindern hast Du immer wieder den ohnehin bescheidenen Lagerbeitrag ermässigt oder ganz erlassen. Immer wieder, hast du Kindern, Jugendlichen und ganzen Familien in Krisensituationen den Albisboden-Hof als Zuflucht geöffnet und ihnen zu neuen Perspektiven verholfen.
Nicht immer hat es das Schicksal gut mit dir gemeint. Du bist ausgenutzt worden und einige, denen du geholfen hast, haben es dir sehr schlecht gelohnt. Der WWF hat dir wie mir (tipilager-ch) in arroganter Art und Weise übel mitgespielt. Eine selbsternannte Machtorganisation welche vorgibt den Planeten zu schützen.
Du warst ein echter WOODCRAFT-Scout, immer auf der Suche nach neuen Wegen und Lösungen. Als Erster hast du alte, resistente Obstbaumsorten aus den Ostländern für deine Bio-Baumschule eingeführt. Die Baumschule beherbergte eine der grössten Wildobstsammlungen Europas. Zeitweise hast du mit deinen geschätzten Vorträgen und Workshops im In- und Ausland mehr Geld verdient als mit dem Verkauf von Bäumen. Du warst an einer Firma zur Entwicklung neuer Obstsorten beteiligt, hast mehrere grosse Wildobst-Schaugärten geplant und ausgeführt.
Als es für dich und deine Ideen immer enger wurde und deine eigentliche
Pensionierung (von was wohl am ehesten?) immer näher rückte, hast du die Fühler ausgestreckt und einen neuen Platz für deine Ideen gesucht. In Slowenien hast du diesen gefunden und bist mit deiner Frau Ursula, befreundeten Menschen und Familien in einem grossen Kraftakt dahin ausgewandert. Ich weiss noch, wie du mir vorgeschwärmt hast, dass du dann in Slowenien viel Zeit für dich zum Fischen haben wirst . . . Leider habe ich es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geschafft, dich in deinem neuen „Paradies“ zu besuchen.
Ich weiss, dass du mit aller Kraft sofort wieder den wohl grössten Wildobstgarten Europas und weit darüber hinaus, als dein letztes Projekt auf dieser Erde, installiert hast.
In den letzten zwei Jahren bist du krank geworden, Der Krebs hat dir übel mitgespielt und dir deine Kraft geraubt.
Pavel, ich bin sehr traurig darüber, dass es dir nicht gegönnt war, nach all den Jahren intensivstem Einsatz für hunderte von Kindern, Jugendlichen, Familien, Freunden, Kundschaft und vielen interessierten Menschen, mehr Zeit für dich zu haben und ein paar ganz persönliche Träume zu leben.
Allein schon deine Woodcraft-Pädagogik, hätte längstens einen ganz dicken Bildband als Dokumentation deiner Arbeit mehr
als verdient.
Du hast mir telefoniert um dich von mir zu verabschieden und dich für unsere Freundschaft bedankt, ein schlimmer Moment für mich.
Wenn jemand danken muss, für all das was auch immer zwischen uns
gelaufen ist, dann bin ich das! Du warst mir immer ein grosses Vorbild, eine Quelle unendlicher Ideen und Phantasien. Ich habe dich und deine Schaffenskraft immer sehr bewundert!
Ich danke auch Ursula ganz herzlich dafür , dass sie immer für Pavel da war, zu ihm gehalten hat durch dick und dünn. Pavel war kein einfacher Mensch. Als Partnerin kam da nur eine starke Persönlichkeit in Frage. Die hat er an seiner Seite gehabt bis zum Schluss.
Ein groser Scout hat die Welt verlassen und sich auf den Weg in die Anderswelt gemacht. Ich wünsche ihm, dass er auch dort einen Platz für ein grosses Tipilager mit vielen motivierten Kindern und Jugendlichen findet.
Alles Gute Pavel/Japosh – du bleibst mir unvergessen!
Peter Kuhn, Napaho
Anschrift:
Ursula Toggenburger und Freunde
Budinci 59
Salovci
SI 9204 Slovenija
00386 40 206 593 Ursula
Fotos: ProSpecieRara